Die Häkelnadel

Du lächelst über mich, hochmütig, kalt:

Ein Häkchen nur an einer schlichten Nadel.

Wie nutzlos, denkst du. Was ist wohl ihr Sinn?

Doch nimmst du mich zur Hand, so lernst du bald wozu ich tüchtig bin.

Geschäftig hole ich den Faden her und knote ihn in muntrem Lauf zu luft'gen Schlingen, ich baue kleine Säulen/ Stäbchen aus ihm auf und feste Maschen, die sich ineinander halten.

Was könnt aus diesem Dreiklang ihr gestalten, wenn Phantasie und Launen euch beschwingen!

So manches Intermezzo zarten Zwischensatzes, und eigenwilliger Motive Kapriolen, die schlichten Klänge eines Kinderlatzes. 

Wie einer Schlummerdecke schläfrige Triolen, ein wohlig wärmendes Andante,

Das sich als Schal um deine Schultern legt,

Das Allegretto einer feinen Kante,

Das Deckchen dir und Taschentuch umhegt.

Wann endet je der Quell der Melodien,

Die dir durch mich aus jedem Knäuel erblühn?

Sagst du jetzt noch in überlegnem Tadel: Nur eine Häkelnadel?

Aus dem Büchlein: Auf den Nachttisch zu legen, Carla Meyer-Rasch, 1938

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